Reden

Fortsetzung der Aufarbeitung der NS- Vergangenheit in Hessen

 

 

Rede zum Antrag DIE LINKE – Fortsetzung der Aufarbeitung der NS- Vergangenheit in Hessen  (19/27)

- unkorrigiertes Manuskript, es gilt das gesprochene Wort! -

 

Herr Präsident / Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

vor zwei Wochen haben alle Abgeordneten des Landtages eine umfangreiche Dokumentation einer hier im Haus,  im März des letzten Jahres durchgeführten Fachtagung zur NS-Vergangenheit ehemaliger hessischer Landtagsabgeordneter erhalten.

Diese zweitägige Fachtagung im Landtag war eine herausragende Veranstaltung. Sie hat zur offenen und ehrlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit hessischer Landtagsabgeordneter einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Dieser Tagung voraus gegangen war eine umfangreiche Vorstudie, die von einer durch die Historische Kommission des Landtages beauftragte Arbeitsgruppe, unter maßgeblicher Beteiligung von Herrn Dr. Albrecht Kirschner erstellt wurde, nachdem unsere Fraktion, bereits Anfang Mai 2011, eine durch den Historiker Dr. Hans-Peter Klausch  erstellte Studie, mit dem  Titel „Braunes Erbe – NS-Vergangenheit hessischer Landtagsabgeordneter der 1. – 11. Wahlperiode (1946 – 1987)“  vorgestellt hatte.

In unserer Studie wurde seinerzeit aufgrund der vorhandenen unterlagen des früheren Berlin Document Centers (heute Bundesarchiv  Berlin) nachgewiesen,  dass entgegen bisheriger Darstellungen nicht 3 sondern mindestens 75  von 333 ehemaligen Landtagsabgeordneten vor 1945 Mitglied der NSDAP waren.

Durch die seinerzeit von allen Fraktionen des Hessischen Landtags daraufhin unterstützten weiteren Untersuchungen konnte bei 92 von 403 ehem. Abgeordneten des Landtags und dessen beider Vorparlamente eine NSDAP-Mitgliedschaft nachgewiesen werden. Ferner fanden sich zahlreiche Nachweise über Mitgliedschaften in weiteren partei- oder parteinahen Organisationen der NSDAP, darunter 26 Mitgliedschaften in der SA und 12 Mitgliedschaften in der SS und Waffen-SS.

Unser Dank gilt heute den Wissenschaftlern der eingesetzten Arbeitsgruppe sowie  der Historischen Kommission des Landtags unter Vorsitz von  Herrn Landtagspräsidenten Kartmann, die, die umfangreiche Aufarbeitung  und die fachorientierte Debatte erst ermöglichten.

Das neben der Erstellung der Studie auch eine Fachtagung  im Landtag durchgeführt werden konnte ist einzigartig. Hessen hat damit eine Vorreiterrolle in der Aufarbeitung dieses Teils der Vergangenheit übernommen.

Schon auf der Fachtagung waren sich alle Beteiligten darin einig, dass allein der Hinweis auf eine frühere Mitgliedschaft von ehemaligen Landtagsabgeordneten in der NSDAP nicht aussagekräftig genug ist und deshalb, allerdings nur zu einer kleinen Zahl von Personen, eine weitergehende, vertiefte Forschung als sinnvoll erscheint.

Die Teilnehmer der Fachtagung waren zudem der Auffassung,, dass die weitere Aufarbeitung  ein kontinuierlicher Prozess sei, der fortgeführt werden sollte.

Diese Anregungen möchten wir mit unserem Entschließungsantrag nun aufgreifen.

Wir unterbreiten in unserem Antrag deshalb weitere Vorschläge, in welchen Themenfeldern und zu welchem Personenkreis weitere Untersuchungen erfolgen sollten.

Dabei erscheint es uns als vorrangig zu sein, nun auch – sozusagen die andere Seite der Vergangenheit der ehemaligen Landtagsabgeordneten zu betrachten, und in einer weiteren Studie deren Widerstandstätigkeiten in der NS-zeit, als auch deren politische Verfolgung erforschen zu lassen.

Zudem sollten die Untersuchungen auch auf ehem. Hohe und höchste Beamtinnen und beamten des Landes Hessen ausgedehnt werden.

Wie gesagt, dies sind unsere Vorschläge, die wir auf Grundlage der Diskussionen in der Fachtagung nun aufgegriffen haben.

Aus diesem Grund möchten wir den Entschließungsantrag heute auch nicht zur Abstimmung stellen, sondern bitten um Überweisung an den Ältestenrat. Dort sollte dann - möglichst im Konsens aller Fraktionen - die Weiterarbeit am Thema, im Detail beraten werden.

In diesem Sinne verstehen wir den kurzfristig vorgelegten Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und Bündnis90/Die Grünen und FDP auch als sinnvolle Ergänzung zu unserem Antrag, den wir ebenfalls unterstützen möchten.