Reden

FDP konkurriert mit rechtspopulistischer AfD

Rede zum Antrag der FDP betr. Gefahren durch Islamismus begegnen (Drucksache 19/634) und CDU/Grüne (Drucksache19/696)


- unkorrigiertes Redemanuskript, es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident / Frau Präsidentin,
meine sehr geehrte Damen und Herren,

eine Anhörung im Hessischen Landtag durchzuführen und damit über einen wichtigen Sachverhalt neue Informationen für die eigene Arbeit zu erhalten, ist immer richtig. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass auch Abgeordnete etwas dazu lernen. Ein Dialog mit Verbänden und Sachverständigen kann zudem über das Parlament hinaus Wirkung in die Gesellschaft entfalten. Und die Salafistische Bewegung ist ein Thema, über das wir gemeinsam nachdenken müssen, denn auch die Politik steht genauso vor Fragen und Herausforderungen, wie viele Verbände, Vereine, Schulen und die Medien.

Deshalb werden wir auch dem heute eingebrachten Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zustimmen, denn er ist – im Gegensatz zum FDP-Gesamtpamphlet – wesentlich differenzierter, auch wenn er lediglich im letzten Satz von einer „geplanten Anhörung des Landtags“ spricht.

•    Was passiert da in der salafistischen Szene und warum?
•    Wieso hat diese fundamental-religiöse Strömung in Deutschland Zulauf, auch von hier geborenen Deutschen, die Konvertieren oder gar in den Krieg ziehen?
•    Wie geht man damit um?
•    Heizt sich die Stimmung zwischen radikalen Islam-Befürwortern und Islam-Hassern unweigerlich auf?
•    Oder kann man Brücken bauen und Verständnis entwickeln und wenn ja, wie und wer kann diese Brücken bauen?

Für DIE LINKE sind diese Fragen elementar. Teilweise liegen Antworten nahe, teilweise sind auch wir ratlos. In jedem Fall gibt es offenbar keine schnellen und schon gar keine einfachen Lösungen. Hier erwarte ich mir eine Konkretisierung der Fragestellung und eine intensive Vorbereitung der Anhörung durch den Sozial- und Integrationsausschuss. Eine Federführung durch den Innenausschuss – wie von der FDP gefordert, lehnen wir entschieden ab! Dies käme der Wiedereinführung einer Rohrstockpädagogik gleich und wäre eine Ohnmachtserklärung gegenüber der aktuellen Entwicklung.

Leider erwähnt die FDP trotz 3-Seiten Antragstext den Zusammenhang zwischen Krieg und Radikalisierung nicht. Warum eigentlich nicht?

Das ist zusätzlich mein Problem mit dem FDP-Antrag und der dahinterliegenden FDP-Politik.
•    Es macht keinen Sinn auf drei Seiten die Antworten schon  vorzugeben und zentrale Fragen ausklammern.
•    Es macht keinen Sinn, es sei denn, man will nur über die eigene Haltung reden.
•    Das „sich-Fragen-stellen“ macht doch nur Sinn, wenn man ohne Vorurteile bzw. Vorverurteilungen an eine Anhörung herangeht.

Genau das ist aber bei dem vorliegenden Antrag der FDP wie auch bei ihrer ganzen parteipolitischen Inszenierung der letzten Wochen unübersehbar der Fall. Es macht mir Sorge, dass die Hessen-FDP sich in ihrem Überlebenskampf weit rechts von der Hessen-CDU positioniert. Vor einem Jahr hätte ich gesagt, dass das gar nicht geht: rechts von der Hessen-CDU geht gar nicht.

Aber die FDP-Konkurrenz zur rechtspopulistischen AfD und eine Schwarzgrüne Regierung macht es nun offenbar nötig. Nur deshalb heizt die FDP das Thema Salafismus seit ein paar Wochen parteipolitisch an. Ein paar Beispiele aus dem FDP-Antrag: Die FDP spricht von einer „massiven Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“, einer „Bedrohung des Rechtsstaates“, der „Durchsetzung der Scharia und Einrichtung eines Gottesstaates in Deutschland“. Die Salafisten seien im „Rhein-Main-Gebiet ständig präsent“, grundsätzlich „gewaltbereit“ und in „enger Verbindung zur radikalislamistischen Terrororganisation ISIS“.

Meine Damen und Herren, man muss die Salafisten nicht mögen. Man kann ihre religiöse Haltung bizarr finden. Man muss sich ganz gewiss mit deren politischen Zielen und deren militanten Vertretern sehr ernsthaft und entschieden auseinandersetzen. Aber man muss doch als verantwortlicher Politiker auch die Moschee im Dorf lassen, Herr Greilich.

Erstens sind Salafisten nicht per se militant, geschweige denn alle terroristisch. Unter Muslimen ist nur eine verschwindende Minderheit salafistisch und von denen wiederum nur eine Minderheit gewaltbereit. Woher nehmen sie also ihre Behauptung, vielmehr ihre Unterstellung – das sind alles Terroristen. Woher nehmen sie die Behauptung, der Staat wäre in Gefahr und wir stünden vor der Errichtung eines Gottes-Staates. Das ist doch absurd. Auf der letzten Groß-Kundgebung von Pierre Vogel waren ca. 200 Salafisten, aber doppelt so viele Gegendemonstranten. Die Salafisten haben offenbar im Moment nicht den großen Zulauf.

Zur Vermeidung von Missverständnissen: Auch ein paar hundert Salafisten im Rhein-Main-Gebiet sind ein Grund sich besorgt und entschieden damit auseinander zu setzen. Und auch nur Sympathien oder Verbindungen von wenigen zu militanten Organisationen oder die Teilnahme an Kämpfen sind ein Grund zur Sorge. Das will und werde ich nicht relativieren. Aber erstens sehe ich dadurch nicht den Rechtsstaat und unsere Grundordnung gefährdet, geschweige denn Hessen kurz vor der Errichtung eines Kalifats. Das ist doch eine völlig absurde Überhöhung.

FDP-Aktionismus schadet der Sache mehr, als es nutzt

Die FDP stellt in ihrem Antrag keine Fragen, sondern sie beschwört Ängste und Ablehnung und das macht mir wiederum Angst, weil doch gerade das Schüren von  Angst und Ablehnung genau das ist, woraus Salafisten ihre wichtigste Nahrung beziehen. Dem geben sie seit Wochen eine Bühne, in der plumpen Hoffnung, sich selbst als große  Salafisten-Bekämpfer aufzuführen. Und das schadet der Sache mehr, als es nutzt.

Sie sprechen in ihrem Antrag auch von „dem Übergriff radikalislamischer Salafisten“ in Frankfurt. Ich weiß bislang nichts von Übergriffen. Ich weiß von einer Starfanzeige, die übrigens die FDP ohne mit den Betroffenen zu sprechen, selbst  gestellt hat.  Der Vorfall selbst war aber aus Sicht der Betroffenen unterhalb der Schwelle eines Übergriffes. Die wollten ihn deshalb selbst auch nicht anzeigen.

Gewiss, die Vorgänge um die vorübergehende Schließung des Jugendhauses in Frankfurt dürfen nicht  bagatellisiert werden, aber sie dürfen auch nicht hochgespielt werden um sie parteipolitisch auszuschlachten. Deshalb: Wenn man die soziale Frage in Deutschland und den Zusammenhang zwischen immer weiterer Eskalation, Aufrüstung und Krieg in Nahen und Fernen Osten und der Rolle, die der Westen dabei leider spielt, ausblendet, dann fehlt eben leider eine wesentliche Erklärung dafür, warum sich einzelne Jugendliche radikalisieren.

DIE LINKE wird deshalb in der Anhörung die Fragen stellen, die die FDP von vorneherein ausklammern möchte.