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Mehrheitlich beschlossener NSU-Abschlussbericht redet viel zu viele Dinge schön – LINKE erstellt eigenes Sondervotum

Zur heutigen Beschlussfassung – über den vom Berichterstatter des NSU–Untersuchungsausschusses vorgelegten Abschlussbericht, Jürgen Frömmrich (Grüne) – erklärt Hermann Schaus, Obmann im NSU–Untersuchungsausschuss für die Fraktion DIE LINKE. Hessischen Landtag:

„Nach fast vier Jahren Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss wurde heute der Abschlussbericht der Koalition mit den Stimmen von CDU und Grünen gegen die Stimmen von SPD und LINKEN angenommen. Wir werten es als Erfolg, dass CDU und Grüne, abweichend von ihrer ursprünglichen Position, letztlich die Bedeutung und Arbeit des NSU-Ausschusses anerkennen und beim Verfassungsschutz, dem Innenministerium und bei im NSU-Komplex handelnden Personen Fehler einräumen mussten. Ein Versagen der Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex ist damit auch in Hessen nicht mehr zu leugnen. Insbesondere dem Landesamt für Verfassungsschutz stellt der von CDU und Grünen beschlossene Bericht ein schlechtes Zeugnis aus: Hinweisen auf Waffen- und Sprengstoff bei Rechtsextremen wurde nicht nachgegangen und Aktenstücke sind verloren gegangen, sodass nicht festgestellt werden kann, ob das Landesamt für Verfassungsschutz Hinweise über den NSU gehabt hat. Immerhin: Das alles wäre ohne unsere intensive Aufklärungsarbeit nicht festgestellt worden. Wir freuen uns auch, dass jüngst im Ältestenrat unser Antrag, auch eine türkische Übersetzung des gesamten Abschlussberichts zu erstellen, einstimmig beschlossen wurde.“

Die Arbeit im Ausschuss sei von Beginn an von politischen Auseinandersetzungen um Fragen, wie die der Vorlage von ungeschwärzten Akten, um Verwendbarkeit von geheimen Materialien, um Fragerechte – kurzum um die Ermöglichung der Aufklärungsarbeit, geprägt gewesen, so Schaus. Nicht nur zwischen Parlament und Regierung, sondern insbesondere zwischen den Fraktionen habe es schwere Auseinandersetzungen gegeben. CDU, Grüne und FDP hatten der Einsetzung des NSU-Ausschusses nicht zugestimmt, doch im Laufe des Ausschusses aufgrund der Masse neuer Erkenntnisse einräumen müssen, dass die Nicht-Zustimmung falsch gewesen sei.

„Die Aufklärung hätte sehr profitiert, wenn CDU und Grüne den Ausschuss nicht über Jahre zu blockieren versucht hätten. DIE LINKE hat sich dennoch auch am Ende nicht der Zusammenarbeit verweigert, an einem gemeinsamen Vorwort mitgearbeitet sowie umfangreiche und vom Ausschuss weitestgehend übernommene Änderungsvorschläge zum Kapitel über die rechtsextreme Szene in Hessen beigetragen. Dies war auch wichtig, weil es um das mögliche NSU-Unterstützerumfeld geht. Wir begrüßen, dass die Regierungsfraktionen bereit waren, einen großen Anteil dieser Änderungen zu übernehmen und damit den Bericht zu verbessern. Dennoch stehen auch in diesem Kapitel weiterhin Analysen und Formulierungen, die der Ausschussarbeit und Realität nicht angemessen sind, sodass wir auch dieses Kapitel insgesamt nicht mittragen können.“  

DIE LINKE kritisiert am Bericht insbesondere die lückenhafte Darstellung über Abläufe im Innenministerium und insbesondere zum Handeln des damaligen Innenministers und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier. Zwar formuliert der Bericht verhaltene Kritik daran, dass Bouffier die von Temme geführten V-Männer (VM) pauschal für Polizeivernehmungen gesperrt hat, statt wie rechtlich notwendig eine Entscheidung über jeden einzelnen VM zu treffen und zu begründen. Allerdings wird im Abschlussbericht von Schwarzgrün die Entscheidung nicht grundsätzlich kritisiert und die Behauptung aufgestellt, eine Vernehmung der VM hätte die Ermittlungen nicht weiter gebracht. Auch kritisiert der schwarzgrüne Abschlussbericht zwar, dass das Parlament zu spät über den Tatverdacht gegen Temme informiert worden sei, allerdings geht die Kritik der LINKEN auch hier deutlich weiter: Bouffier hatte das Parlament zu spät und wissentlich falsch informiert. Ein weiteres Beispiel ist  die verharmlosende Darstellung  über die Behandlung des Disziplinarverfahrens gegen Temme.

Darüber hinaus sind auch die Ermittlungsmaßnahmen gegen die Familie des Mordopfers völlig unzureichend dargestellt. Die – teilweise rechtswidrigen – Ermittlungsmaßnahmen haben die Familie Yozgat nachhaltig enorm schwer belastet. Der Umfang und die Wirkung dieser Maßnahmen wird im Bericht von Schwarzgrün nicht annähernd deutlich.

„Wir haben bereits bei der ersten Durchsicht des Berichtsentwurfes von Jürgen Frömmrich (Grüne)  260 Stellen gefunden, wo Änderungs- und Ergänzungsbedarf besteht. Aus all diesen Gründen wird DIE LINKE ein eigenes Sondervotum zum NSU-Abschlussbericht vorlegen. Dennoch hat sich die viele Arbeit gelohnt!“


Pressestelle DIE LINKE. Fraktion im Hessischen Landtag
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