140x190 Gabi Faulhaber WebsiteGabi Faulhaber

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren parlamentarischen Einsatz.


 
  
 


Reden

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für die Haushaltsjahre 2018 und 2019

Rede von Gabi Faulhaber am 13. Dezember 2017 im Hessischen Landtag

 

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

 

Einzelplan 04

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Es ist gestern in der Generaldebatte und auch eben in der Debatte angesprochen worden, aber ich will nochmals darauf verweisen, dass die Landesregierung dank sprudelnder Kassen in einer recht bequemen Lage ist. Und sie investiert: Sie investiert in Lehrerstellen, in die Schulsozialarbeit und in die Schulgebäudesanierung. Ich will hier extra betonen:
 Das ist gut so. Das sind wichtige Maßnahmen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie hier Ihre Investitionen vorstellen, fehlt aber eine maßgebliche Größe. Sie haben die Bedarfe gar nicht erhoben. Sie sagen nicht, was für Ihre bildungspolitischen Vorhaben eigentlich gebraucht wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagen, Sie wollen Inklusion, Integration, Ganztagsschulausbau, Berufsorientierung sowie Lehrerausund -weiterbildung. Eine Bedarfsanalyse ist aber dringend nötig, will man einschätzen, wo Hessen bei der Bewältigung dieser bildungspolitischen Aufgaben derzeit steht. Nehmen wir ein Beispiel, das schon in der gestrigen Fragestunde eine Rolle gespielt hat. Sie sagen, es gebe 106 Schulpsychologen an hessischen Schulen, und Sie geben sich damit zufrieden, wenn nun weitere acht Schulpsychologen eingestellt werden. Dann sind es also 114 Schulpsychologen. Auch hier haben Sie den Bedarf aber nicht erhoben. Es ist unklar, ob das reicht, oder nicht. Sie haben aber politisch entschieden, dass es Ihnen reicht, wenn Sie für 628.000 Schülerinnen und Schüler in den allgemeinbildenden Schulen 114 Schulpsychologen haben. Das wäre ein Schulpsychologe für 5.509 Schülerinnen und Schüler. Nimmt man die berufsbildenden Schulen dazu, kommen wir auf insgesamt fast 818.000 Schülerinnen und Schüler in Hessen. Dann ist es für Sie also ausreichend, wenn ein Schulpsychologie 7.174 Schülerinnen und Schüler betreut. Das darf ja wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe dieses Beispiel etwas weiter ausgeführt, aber es ist nur ein Beispiel von vielen. Seit Monaten betreiben Sie hier Zahlendropping. Sie sagen, Sie werden 2.000 neue Stellen für die Sprachförderung und für Seiteneinsteiger sowie 1.100 Stellen für den Pakt für den Nachmittag und die Inklusion schaffen. Sie wollen insgesamt 700 Sozialpädagoginnen und -pädagogen neu einstellen. Ich betone: Das hört sich gut an und ist es auch – endlich einmal nach langer Stagnation eine Bewegung in die richtige Richtung.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das haben wir jahrelang gefordert!)

Aber ich wiederhole: Wo stehen wir in Hessen bei der Lösung der Aufgaben, die sich uns bildungspolitisch stellen? Wir haben in Hessen 2.014 Schulen, allgemeinbildende und berufsbildende. Im Gegensatz zu Ihnen können wir dividieren, Herr Kultusminister – Sie haben es gestern nicht gekonnt. 700 Sozialpädagoginnen und -pädagogen führen nämlich zu folgenden Verhältnissen: ein Sozialpädagoge für 2,9 Schulen, ein Sozialpädagoge für 52 Klassen, ein Sozialpädagoge für 1.168 Schülerinnen und Schüler. Ich frage Sie: Ist das ausreichend? Können 700 Sozialpädagoginnen und -pädagogen die dringend nötigen multiprofessionellen Teams an den Schulen bilden, oder hetzen sie vielleicht von Schule zu Schule und spielen Feuerwehr? Wo Sie Ihre Zahlen hernehmen, ist mir sowieso schleierhaft.

(Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die stehen im Haushalt! – Zuruf des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Selbstverständlich sind 700 Neueinstellungen bemerkenswert. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, zu sagen, wie viel des eigentlichen Bedarfs man mit diesen Neueinstellungen decken kann. Man braucht ja eine realistische Einschätzung, wo man mit den getroffenen Maßnahmen bei der Umsetzung der Ziele eigentlich steht.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Bedarfsanalyse wäre auch für die Sanierung der Schulgebäude notwendig. Meine Damen und Herren, dauernd leugnen Sie sogar, dass es marode Schulgebäude überhaupt gibt, dass in Sporthallen der Putz von den Wänden fällt, dass es Schultoiletten gibt, die gar nicht genutzt werden dürfen, weil sie enorme bauliche Mängel aufweisen. Es gibt Schulen, die ihre Schülerinnen und Schüler seit Jahren in Containern unterrichten müssen. Das ist nicht nur in Frankfurt so, sondern in ganze Hessen. Sie haben sicherlich die Schülerproteste in Kassel zur Kenntnis genommen.

(Claudia Ravensburg (CDU): Kassel ist nicht Hessen!)

Kassel ist nicht Hessen, Frankfurt auch nicht, aber schauen Sie sich einmal die Verhältnisse auch an anderen Orten an. Jetzt kommt das Kommunalinvestitionsprogramm und soll die schlimmsten Löcher flicken. Wenn man bedenkt, dass allein in Wiesbaden etwa 400 Millionen € fehlen, um allein hier, in der Landeshauptstadt den Sanierungsstau aufzulösen, dann kann man sich vorstellen, wie weit man in ganz Hessen mit 500 Millionen € kommt. Das Problem ist: Sie wollen sich das gar nicht vorstellen. Sie stopfen die größten Löcher und verschließen nach wie vor die Augen vor all den weiteren Baustellen, die sich ergeben, sowohl baulich als auch bezüglich der Konzeption.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben nämlich kein Konzept für Ihre Bildungspolitik. Sie versuchen, nur das zu machen, was sich nicht vermeiden lässt. So wird Inklusion zu einem Sparprogramm, so wird der Ganztagsausbau zu einem Sparprogramm, so wird die Integration von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern zu einem Sparprogramm, und so wird die Lehrerbildung zum Sparprogramm. Deshalb fordere ich Sie hier noch einmal auf, unseren Antrag betreffend eine Bedarfsanalyse erneut zu beraten und eine solche Analyse endlich in Angriff zu nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann nämlich nicht sein, dass Sie sich mit dem Kommentar, die zu ermittelnde Summe sei zu hoch, da brauche man gar keine genaue Analyse, aus der Verantwortung ziehen.

Meine Damen und Herren, wenn die Kassen schon gut gefüllt sind, wenn es endlich wieder möglich ist, etwas in die Bildung zu investieren, statt sie weiterhin krankzukürzen, dann erwarte ich mehr als Ihre Löcherstopferei, und zwar nicht nur, was die Schulgebäude angeht. Schaffen Sie ein Konzept für Ihre eigenen bildungspolitischen Vorstellungen. Bilden Sie die Lehrkräfte entsprechend aus und weiter. Laden Sie die Verantwortung für die Umsetzung Ihrer Ziele nicht den Schulen auf, die das zusätzlich zu ihren anderen Aufgaben entwickeln sollen. Schaffen Sie eine Entlastung für die Schulen, die als pädagogische Einrichtungen nicht mit Verwaltungsaufgaben überfrachtet werden sollten.

Statt guter Konzepte haben Sie in den vergangenen Jahren die Trial-and-Error-Methode praktiziert. Sie sind damit überwiegend krachend gescheitert und bessern jetzt widerwillig aus. Ich nenne beispielsweise die Kürzungen bei den DaZ-Lehrkräften und den DaZ-Stunden, die Erhöhung der Arbeitszeit auf 42 Stunden, das Stellenabbauprogramm und das Märchen von der demografischen Rendite, das pädagogisch nicht zu verantwortende Turboabitur sowie die kaum vorhandene Ausstattung mit Schulsozialarbeit. All das sind Beispiele für Ihre verfehlte Bildungspolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Heike Habermann:
 Kollegin Faulhaber, die angemeldete Redezeit ist abgelaufen.

Gabriele Faulhaber (DIE LINKE):
 Ich brauche noch ein bisschen Zeit.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Ich bin auch der Meinung, dass sich zurzeit in der Medienerziehung ein Leck ankündigt, weil wieder konzeptionslos gearbeitet wird. Auch hier müsste dringend ein Konzept entwickelt werden. Die Lehreraus- und -weiterbildung müsste entsprechend verändert werden. Es scheint mir so zu sein, dass wieder einmal eine Entwicklung verschlafen wird.

Auch für den herkunftssprachlichen Unterricht gibt es kein Konzept. Obwohl die Pflege der Herkunftssprache für Eltern mit Migrationsgeschichte eine wichtige emotionale Bedeutung hat, für die Persönlichkeitsbildung der Kinder prägend ist und klar ist, dass Kinder eine zweite Sprache gründlicher lernen, wenn sie ihre Herkunftssprache beherrschen, entzieht sich das Land seit den Jahren 1999/2000 schleichend seinen Bildungsauftrag in diesem Bereich. Die Bildungspolitik der Hessischen Landesregierung ist der monolingualen und monokulturellen Bildungstradition verhaftet. Nicht deutsche Erstsprachen werden eher als Hindernis zur Integration, nicht als Bereicherung und Chance begriffen. Sonst könnte man sich nicht erklären, warum auslaufende Lehrerstellen des herkunftssprachlichen Unterrichts nicht mehr durch Landesbedienstete ersetzt werden. Konsulatslehrkräfte springen in die Lücken. Aus diesem Grund stehen bei den Herkunftssprachen den verbliebenen 108 Lehrkräften im Dienste des Landes Hessen bereits 82 Lehrkräfte in Diensten der Herkunftsländer gegenüber, darunter 56 Konsulatslehrkräfte aus der Türkei.

In diesem Bereich brauchen wir dringend eine Kehrtwende. Der herkunftssprachliche Unterricht ist Teil des staatlichen Bildungsauftrags und muss wieder in die Verantwortung des Landes zurück. Außerdem muss er deutlich ausgebaut werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt also reichlich Umwege und Sackgassen in der hessischen Bildungspolitik. Aber statt daraus etwas zu lernen, den Weg zu überdenken und ihn konzeptionell fundiert weiterzugehen, bleiben Sie bei Flickwerk.

Jetzt kürze ich es ein bisschen ab. Es gibt zwei gute Beispiele: den Ganztagsausbau und die Inklusion. Sie werden nicht müde, zu erzählen, dass schon etwa 160 Schulen am Pakt für den Nachmittag teilnehmen. Aber wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, es sind keine 20 % der Grundschulen. Wenn man die allgemeinbildenden Schulen als Grundlage dazunimmt, stellt man fest, es sind gerade einmal 8 %.

Davon abgesehen ist der Pakt für den Nachmittag kein Ganztagsschulprogramm. Sie tun immer noch so, als ob die Betreuung von Kindern die sinnvollste Lösung wäre. Aber zahlreiche Länder haben Sie längst überholt; wir sind da überhaupt nicht Spitze.

(Manfred Pentz (CDU): Reden Sie von Bolivien?)
– Nicht von Saudi-Arabien, Herr Pentz.
 (Manfred Pentz (CDU): Saudi-Arabien, Bolivien oder Venezuela! Sie müssen erst einmal etwas vorlegen! Dann lege ich auch eine andere Platte auf! Wenn ihr euch ändert, kann ich auch anders!)

Es ist belegt, dass echte Ganztagsschulen Bildungsnachteile ausgleichen können, die aus sozialer Deklassierung entstehen. Doch was geschieht hier? Diese Erkenntnisse werden von Ihnen ignoriert, und Sie haben mit dem Pakt für den Nachmittag einen Flickenteppich etabliert.

Ähnlich verhält es sich mit der Inklusion. Seit über 30 Jahren wird in Hessen darüber gesprochen, inklusiv arbeiten zu wollen. Seit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention und deren Ratifizierung – das war immerhin 2009 – sind wir verpflichtet, ein inklusives Schulsystem zu schaffen. Wo stehen wir gerade? An dem Punkt, an dem inklusive Schulbündnisse zu Schwerpunktschulen führen. Damit können Kinder mit Beeinträchtigungen und Behinderungen nicht wie alle anderen Kinder gemeinsam mit ihren Freunden vor Ort unterrichtet werden. Vielmehr werden diese Kinder kilometerweit durch die Gegend gefahren, um sich an Schwerpunktschulen unter ihresgleichen zu tummeln. Das, meine Damen und Herren, ist das Resultat hessischer Inklusion. Das ist keine Inklusion. Wenn in Hessen Inklusion draufsteht, ist jedenfalls keine Inklusion drin.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Ich möchte noch eines erwähnen: Die ganze Eigenlobhudelei der schwarzgrünen Koalition ist ein Schlag ins Gesicht der Lehrkräfte, die versuchen, ihre Arbeit so gut wie möglich zu machen, und immer wieder an den überlastenden Anforderungen des Kultusministeriums scheitern. Insbesondere den Grundschullehrkräften werden Sie nicht gerecht. Ihre Weigerung, sie nach A 13 zu besolden, ist beschämend. Das ist eines Bundeslands wie Hessen nicht würdig.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei können wir uns das leisten. Das ist überhaupt nicht nachzuvollziehen. – Vielen Dank für Ihre
 Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)