300 elisabeth kulaElisabeth Kula


  
  
Raum 206 M/2
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Sprecherin für: Jugend, Schule,- Bildung


Reden

Rede zu Antrag 20/59 „Beendigung der Kooperation mit DITIB“

„Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

der Antrag der AfD, welcher uns hier vorliegt ist an Heuchelei kaum zu überbieten. Mit Formulierungen wie „Die vielfachen weiteren Strömungen im Islam bleiben im Unterricht in Kooperation mit DITIB unbeachtet“ erweckt er den Eindruck, dass sich die AfD Sorgen darum mache, dass muslimische Schülerinnen und Schüler, die nicht DITIB angehören, keinen passenden bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht bekämen.

Dass dies ein heuchlerisches Manöver ist, wird einem sofort bewusst, wirft man einen Blick in das Landtagswahlprogramm der AfD. Dort schreibt sie, dass sie den bekenntnisorientierten Islamunterricht ablehnt und fordert stattdessen einen verpflichtenden christlichen Religionsunterricht. In der - angeblichen - Ausbreitung des Islam sieht die AfD eine Gefahr für die hiesige Werteordnung.[1] Und auch unter den Abgeordneten der neuen AfD Fraktion in diesem Landtag ist keiner, der sich je für die Interessen von Musliminnen und Muslimen eingesetzt hat, natürlich nicht, im Gegenteil. Mit Behauptungen wie: „Das größte Problem im 21. Jahrhundert sei der Islam“ und „der Islam sei keine Religion, sondern eine politische Bewegung, die unsere Werte zerstören wolle“, machen sie ganz klar, wes Geistes Kind Sie sind![2] Dass die AfD Fraktion nun einen solchen Antrag vorlegt, der im Grunde das was die Landesregierung im Koalitionsvertrag festgehalten hat paraphrasiert, obwohl das das genaue Gegenteil von dem bedeutet was ihre Partei fordert, zeigt wie wenig es ihr um das politische Anliegen selbst geht. Im Gegenteil, Chaos verbreiten und das politische Geschäft behindern, das ist die Agenda der AfD.

Man fragt sich auch welche Werteordnung eigentlich durch den Islam gefährdet sein soll. Wenn es irgendwelche gemeinsamen Werte gibt, dann doch die, die in der Verfassung niedergelegt sind, zuallererst die Grundrechte und damit auch die Religionsfreiheit! Und das bedeutet, dass alle Religionen verfassungsrechtlich geschützt sind, nicht nur die, die der AfD gefallen! Die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ist ebenso wie die Ausgrenzung Andersdenkender durch den Staat ist grundgesetzlich untersagt. Und auch die Freiheit, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören oder dem fliegenden Spaghettimonster zu huldigen, ist geschützt. Daher kommt auch ein für alle verpflichtender christlicher Religionsunterricht nicht in Frage.

Allerdings sehen sowohl das Grundgesetz als auch die Hessische Verfassung einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht vor, dessen Ausgestaltung gemeinsame Aufgabe von Staat und Religionsgemeinschaft ist. Dass Kinder und Jugendliche sich in der Schule mit ethischen, moralischen, religiösen und philosophischen Fragen beschäftigen ist auch gerade in Zeiten wie diesen dringend geboten. In Zeiten in denen öffentlich darüber debattiert wird, ob es in Ordnung sei, Menschen ertrinken zu lassen, ist es wichtig, den Kindern eines der obersten Werte unserer Gesellschaft zu vermitteln, nämlich, dass die Würde des Menschen unantastbar ist! Diesen Wert teilen im Übrigen sowohl Christen als auch Muslime, sowie viele andere religiöse Gruppen und Weltanschauungen.

Dies bildet sich auch Kerncurriculum des Hessischen Kultusministeriums zur Ausgestaltung des Islamischen Religionsunterrichts ab, dort sind folgende Lernziele angegeben:

  • Erwerb von Grundkenntnissen über die eigene Religion und Entwicklung einer persönlichen religiösen Sprache;
  • Förderung der Kritikfähigkeit, sodass die Lernenden Religionsmündigkeit erlangen;
  • Förderung der Akzeptanz und Toleranz in der Begegnung mit Menschen anderer Religionen, Kulturen, Auffassungen oder Lebensweisen;
  • Vermittlung ethischer Handlungsmaßstäbe anhand von Koran und den Überlieferungen vom Propheten Muhammad wie Bewahrung der Schöpfung, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Achtung und Toleranz.

Allerdings gibt es auch Probleme beim bekenntnisorientierten Religionsunterricht, die wir als Linke sehen und die gelöst werden müssen. Erstens sind Glaube und persönliche Überzeugungen sehr individuelle Angelegenheiten, jede und jeder Einzelne hat wohl seine eigenen Überzeugungen, die Richtschnur für sein bzw. ihr handeln ist. Dementsprechend gibt es auch viele verschiedene Religionen und Religionsgemeinschaften. So auch im Islam. Es gibt nicht den einen Islam, vielmehr ist der Islam eine Geschichte der Interpretation und aus den vielen verschiedenen Auslegungen der islamischen Schriften sind mehr als 70 verschiedene islamische Glaubensrichtungen entstanden. Doch leider sind bisher nur zwei Moscheeverbände, DITIB und die Ahmadiyya Gemeinde, Kooperationspartner für den islamischen Religionsunterricht in Hessen. Was ist mit anderen muslimischen Gruppierungen; mit den Schiiten, Aleviten, den Jesiden und all den anderen? Solange bekenntnisorientierter Religionsunterricht an hessischen Schulen angeboten wird, muss der islamische Religionsunterricht in Hessen deutlich breiter aufgestellt werden.

Doch zusätzlich zu der praktischen Frage der Umsetzbarkeit stellt sich eine inhaltliche Problematik. Wie soll man umgehen mit Religionsgemeinschaften, die nicht Toleranz sondern Zwietracht predigen? Die die Religion missbrauchen als Machtinstrument in politischen Konflikten?

In Hessen stellt sich diese Frage ganz konkret beim Umgang mit DITIB. DITIB ist eine der größten Migrantenorganisationen in Deutschland und vertritt eine große Anzahl der hier lebenden Muslime. Allerdings, und das ist das Problem, agiert der DITIB Bundesverband in Deutschland nicht unabhängig, sondern untersteht dem Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet) der türkischen Regierung. Auch das vom Kultusministerium beauftragte Gutachten des Staatsrechtlers Josef Isensee stellt fest, dass der Moscheeverband „organisatorisch, personell und finanziell von der Türkei abhängig sei“.

Nun hat die DITIB Hessen scheinbar reagiert und erklärt, man habe den Einfluss des Bundesverbandes auf den Landesverband eingeschränkt. Trotzdem gilt, dass insbesondere seit der Verschärfung der Menschenrechtssituation in der Türkei und dem völkerrechtswidrigen Angriff auf Afrin die Rolle von DITIB in Deutschland kritisch betrachtet werden muss. Faschistischen Tendenzen muss Einhalt geboten werden – in Deutschland, der Türkei und überall!

Daher muss eine weitere Kooperation mit dem Moscheeverband DITIB auf den Prüfstand. Bei dem Antrag der AfD allerdings handelt es sich um ein trojanisches Pferd, um den Islamunterricht in Hessen anzugreifen und die Religionsfreiheit auszuhöhlen. Daher lehnen wir diesen Antrag selbstredend ab. Und ich hoffe, dass das Pferd heute auch nicht nach Troja einziehen wird.

Neben dem bekenntnisorientierten Religionsunterricht wollen wir als LINKE endlich auch den Ethikunterricht aufwerten und ihn dem Religionsunterricht gleichstellen. Jede Schülerin, und jeder Schüler von der Grundschule bis zur Berufsschule braucht ein einklagbares Recht auf Ethikunterricht durch eigens dafür ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Dafür müssen endlich entsprechende Ausbildungskapazitäten an den Universitäten zur Verfügung gestellt werden.

Bei der Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichtes in Hessen müssen wesentlich mehr Verbände eingebunden werden, die Fachaufsicht des Kultusministeriums muss dabei bestmöglich ausgestattet sein. Sollte die Kooperation mit DITIB beendet werden muss das Land Hessen dafür Sorge tragen, dass der Islamunterricht unter seiner Verantwortung weiter fortgeführt werden kann. Denn solange es in Hessen den bekenntnisorientieren Religionsunterricht gibt, muss dieser selbstverständlich auch für Muslime angeboten werden.

Meine Damen und Herren, Angriffe auf die Religionsfreiheit von Muslimen sollten wir in diesem Hause jenseits der AfD Fraktion deutlich verurteilen und zurückweisen. Allein in Hessen hat es in 2017 32 islamfeindliche Straftaten gegeben, 25 davon mit rechtsextremem Hintergrund. Wir als Linke werden Angriffe auf die Rechte von Muslimen nicht hinnehmen, egal ob es sich um offene Hetze oder um versteckte Islamfeindlichkeit handelt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[1] Landtagswahlprogramm Hessen 2018 AfD

[2] Im Fall von Zwischenrufen: das hat Bernd Vohl bei seiner Bewerbungsrede für den Bundestag auf dem AfD-Landesparteitag 2016 gesagt